Disclaimer
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Mähr.-Weißkirchen,
d. 29. 6. 44
Liebe
kleine Inge!
Heute
habe ich einen heißen Tag hinter mir. Das heiß bezieht sich
auf die Temperatur. Mit meinen Arrestanten war ich auf dem Übungsplatz,
wo wir Schützengräben ausheben mußten. Es war glühend
heiß. Die Leute hatten es wirklich nicht leicht, denn es ist dort
Tonboden, der beim Ausheben am Spaten kleben bleibt. Trotzdem ich bloß
die Aufsicht hatte, habe ich die Sonne auch ganz schon gespürt. Ich
habe mir dann das Hemd ausgezogen und mir meinen Olympiakörper bräunen
lassen. Als es an der Zeit war, habe ich mir aber das Hemd wieder angezogen,
denn für einen Sonnenbrand kann ich mich nicht begeistern. Im übrigen
habe ich den Tag aber ganz nutzbringend angewendet und habe Botanik an
lebenden Objekten getrieben. Ich nutze eben jede Stunde aus. Alles mögliche
habe ich zusammengetragen und dann bestimmt. Das hat Spaß gemacht.
Dabei habe ich an die Zeit gedacht, als wir für Deine Naturkundestunde
die Pflanzen gesammelt haben.
Überhaupt
denke ich sehr viel an Dich, mein liebes Mädel. In Gedanken bist Du
immer bei mir. Es vergeht keine Stunde am Tage,wo meine Gedanken nicht
bei Dir sind. Ich schrieb es Dir ja schon oft: Alles dreht sich um Dich.
Du bist jetzt der Inhalt meines Lebens geworden und ich könnte mir
die Welt ohne Dich gar nicht mehr vorstellen. Du bist für mich der
Mittelpunkt darin. Möge uns beiden die Vorsehung gnädig sein,
daß wir bald für immer zusammen sein können! Das Leben
an Deiner Seite wird sehr schön sein, Inge. Wenn es doch erst soweit
wäre!
Ich
weiß nicht, ob ich den Glückwunsch von Oskar Deckert und Hannes
Apel schon ausgerichtet habe. Hiermit tue ich das also. Oskar Deckert kennt
Dich noch von der Tanzstunde. Nun habe ich ihm einen begeisterten Brief
über Dich geschrieben. Das darf ich doch, nicht wahr?
Gestern
war ich zum erstenmal baden. Wir haben hier eine Standortsschwimmanstalt
ganz in der Nähe. Die Baderei ist zwar nicht weit her, denn der Fluß
ist ziemlich flach, aber man kann sich schön sonnen. Ich lag gestern
ein paar Stunden auf dem Wehr, welches gleich bei der Badeanstalt ist.
Da hatte ich einen herrlichen Blick in die Landschaft. Links und rechts
liegen die bewaldeten Höhen, die das Tal begrenzen. Links sind sie
direkt am Fluß und rechts einige Kilometer weg. Im Hintergrund sieht
man die Kirchturmspitze des nächsten Dorfes. Alles war in herrlichsten
Sonnenschein getaucht. Dazu das Rauschen des Wassers, welches über
das Wehr stürzt. Der Himmel ist strahlend blau. Alles ist so friedlich;
es ist wie im Frieden in der Heimat.
Als
ich so auf dem Wehr lag, da habe ich so viel an Dich gedacht und mir gewünscht,
daß Du dort gleich an meiner Seite könntest. Es wäre dann
bald so schön wie im Paradies gewesen. Es liefen auch verschiedene
leichtbeschürzte Frauen umher, die mich aber nicht aus der Ruhe bringen
konnten. Andere Frauen existieren für mich nicht mehr, seitdem ich
Dich kenne. Sie mögen noch so verführerisch sein. Das macht auf
mich alles keinen Eindruck.
Übrigens
habe ich heute das Gesuch für Deine Einreisegenehmigung abgegeben.
Ich glaube ja auch nicht, daß es genehmigt wird.Mit Gesuchen habe
ich beim Kommiß noch nie viel Glück gehabt. Einschließlich
Juli ist die Einreise überhaupt verboten. Ich habe die Zeit vom 3.8.-16.8.
angegeben. Das ist natürlich bloß ungefähr. Einen langen
Fragebogen mußte ich ausfüllen. Wann ich zum Kommiß gekommen
bin, welche Feldzüge und Auszeichnungen, wie alt ich bin, wann mein
letzter Urlaub war, ob ich K.v. undwie lange, ob Du berufstätig bist
und aus welchen Gründen Du nach hier kommen willst. Ich habe geschrieben,
daß Du Urlaub bekommst uns den bei mir verleben willst, da Dessau
luftgefährdetes Gebiet ist. Einen stichhaltigen Grund mußte
mußte ich nämlich angeben. Nun müssen wir abwarten. Herrlich
wäre es ja, wenn das klappen würde, aber ich glaube nicht daran,
denn es wäre ja zu schön.
Meine
Anforderung für Arbeitsurlaub habt Ihr also noch nicht fertig. Was
ist denn das für eine Bummelei! Geld ist für mich auch noch nicht
eingetroffen. Ich schrieb es doch meiner Mutter schon vor bald 14 Tagen.
Nun muß ich mich direkt schon einrichten und kann mir vorläufig
nichts kaufen. Sag es ihr nochmal. Eine kleine Schere sollte sie mir doch
auch schicken. Es wird doch Zeit, daß Du meine Frau wirst, damit
ich ordentlich versorgt werde! Aber meine Mutter wird wohl augenblicklich
genug Arbeit haben und da kann sie denn auch nicht an alles denken. Von
jetzt ab werde ich Dir meine Wünsche mitteilen, dann klappt es bestimmt.
Ist eigentlich das Buch von Berlin schon eingetroffen? Schicke mir das
bitte auch gleich. Für die Kuchenmarken vielen Dank. Warum holst Du
Dir nicht selbst welchen dafür? Ich habe Hautkrem für Dich gekauft,
den schicke ich Dir bald. Er ist aus der Kantine, aber nicht schlecht.Nach
einem Fotoalbum kann ich erst fragen, wenn ich wieder Geld habe. Übrigens
bekomme ich nun bald 20 RM Zulage, da ich im August 2 Unteroffiziersjahre
voll habe. Ich hatte an meine Mutter auch geschrieben, daß sie mir
mal mitteilen sollte, ob die Zinsen von meinem Postsparbuch schon jemals
an meine Oranienbaumer Adresse überwiesen worden sind. Erkundige Dich
doch bitte mal.
Was
machst Du denn immer noch? Die "Adria" hast Du also auch schon aufgesucht.
Das Ausziehen im Walde muß ja auch neckisch sein. Da hat der Erich
(?Kuprich?) recht, wenn er sagt, daß das auch seine Reize hat. Na,
mir würdest Du wohl nicht erlauben, meine Augen auf etwa sich ausziehende
Frauen zu richten?! Ich würde es ja auch gar nicht tun; jedenfalls
würde ich mir es nicht anmerken lassen und nur ganz heimlich ein Auge
riskieren. Würdest Du das wohl merken? -
Also,
liebe Inge, für heute genug. Sei vielmals herzlich gegrüßt
und heiß geküßt von Deinem
Leo
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