Disclaimer
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Strojeditz
d. 16. 10. 38
Liebe
Eltern und Geschwister!
Das
Päckchen habe ich gestern bekommen. Habt dafür besten Dank. Diese
Sachen konnte ich nämlich sehr gut gebrauchen. Hier bekommt man jetzt
sehr schlecht etwas zu kaufen, da die Tschechen fast alles mitgenommen
haben. Augenblicklich bekommen die Kaufleute noch keine Sachen von Deutschland.
Im allgemeinen kann man hier ziemlich billig einkaufen. Das dauert aber
nicht mehr sehr lange an, denn wenn erst deutsche Waren zum Verkauf kommen,
dann müssen wir auch deutsche Preise dafür zahlen. Mit dem Gelde
geht es jetzt wild durcheinander. Kronen, Heller, österreichische
Groschen, Pfennige, Markstücke u.s.w.. Da muß man gewaltig aufpassen,
sonst setzt man immer zu. Mir macht ja die Rechnerei damit nicht viel aus,
da ich ja früher schon damit umgegangen bin.
Wir
sitzen hier immer noch in diesem alten Kaff und wir bleiben wahrscheinlich
auch bis zum Ende der Besetzung hier. Ich habe es diesmal ziemlich schlecht
mit dem Quartiere getroffen. Der Bauer, bei dem wir wohnen, ist der reichste
und gleichzeitig geizigste im Dorfe. Es geht hier alles so unsauber zu.
In den 8 Tagen hat die Frau unsere Betten noch nicht ein einziges mal gemacht.
Das Essen ist ganz gering. Wurst gibt es überhaupt nicht. Die Leute
selber essen meistens trocken Brot, welches sie in schwarzem Kaffee einweichen.
Butter kommt kaum auf den Tisch. Die wird alle verkauft. Eier gibt es auch
selten zu sehen. Auf dem Boden stehen Körbe voll. Diese Leute hier
sind von derselben Art wie Körtings in Brandhorst. Für solche
Sorte hätten wir nun bald unser Leben hingegeben!
Jetzt
gibt es hier allerhand Abwechslung. Wir stehen fast nur Wache. Die schönste
Wache ist auf dem Gutshofe eines Tschechen. Der Hof wurde sofort am ersten
Tage besetzt, da dort verschiedene Waffen gefunden wurden. Wir müssen
nur aufpassen, daß von dem Hof nichts verkauft wird. Jeder Wagen,
der vom Hof fährt, wird erst genau untersucht. In der Freizeit gehen
wir dann zu dem Besitzer 'rein. Dort werden wir immer sehr gut verpflegt.
Heute hatte ich den letzten Posten. Da bin ich dann noch zum Mittagessen
geblieben. Es gab einen tadellosen Gänsebraten. Der Gutshof liegt
von unserem Dorfe ungefähr eine halbe Stunde ab. Da haben wir uns
dann des nachts gleich bei den Tschechen in die Betten gelegt. Sie sind
sehr nobel eingerichtet und in solcher Umgebung habe ich dann auch immer
entsprechend geschlafen. Vorsichthalber habe ich mein Gewehr neben mein
Bett gestellt.
Die
andere Wache ist nicht so besonders. Sie besteht darin, daß wir einige
gefangene Kommunisten und den Verwalter des Gutes bewachen müssen.
Morgen fahren wir auf Feldwache. Unsere Postenkette liegt ungefähr
300-500m von der Stoß?(...) entfernt. Wir können
uns auf freiem Gelände gegenseitig sehen. Hier muß man sehr
aufpassen, da durch die Postenkette keiner durch darf.
Wir
haben hier alle die Schnauze voll und warten auf den Moment, wo wir von
hier wieder weg können. Ist meine Hose schon zum Reinigen gewesen?
Ich möchte sie dann gleich anziehen können, wenn ich wieder in
Dessau bin.
Annemarie
wird wohl nun schon in Berlin sein, wenn mein Brief in Oranienbaum ist.
Es wurde ja auch höchste Zeit, daß sie mal aus dem Bau kam...
Nun
will ich mal zu Ende kommen, da ich noch zur Kirchweih gehen will. Sehr
viel wird wohl nicht los sein!
Seid
alle herzlich gegrüßt von
Leo
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